Samstag, 14. Mai 2016

Präfekten des Harzdepartements 3

Burchard Leberecht August von Bülow (1771 – 1816) 

Präfekt des Harzdepartements 

1786 Studium an der Ritterakademie Lüneburg; 1791 Jurastudium in Göttingen; vor 1796 Protokollant bei der Salinendirektion in Lüneburg, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg; 1796 Obersalinendirektor („Salinenadministrator und Königlicher Assessor im Salcomtoir“) in Lüneburg; 1798 Drost in Lüneburg (überzählig); 1803 Geheimer Justizrat in Hannover; Januar 1808 Unterpräfekt in Salzwedel; 26. September 1809 dritter Präfekt des Harzdepartements; 06. Juli 1813 abgesetzt (Amtsenthebung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und eigenmächtigen Eingriffs in eine Justizstrafverfolgung); Ende 1814 Aufnahme des Bestandes der Nationalindustrie für die neue Provinz Großherzogtum Niederrhein im Königreich Preußen; 1815 Hauptmann der Landwehr in Düsseldorf und Kauf des säkularisierten Klosters Altenberg; 1816 Regierungsrat in Düsseldorf, dort im Rhein verunglückt

Burchard von Bülow, Bruder des westphälischen Finanzministers Victor Hans Graf von Bülow, war als ehemals hannoverscher Justizbeamter in der westphälischen Zivilverwaltung des Elbdepartements aufgestiegen und kam als dritter Präfekt im September 1809 nach Heiligenstadt. Mit knappen vier Jahren Amtszeit war er der am längsten aktive, oberste Beamte des Harzdepartements.

Bülow strukturierte die Departementsverwaltung grundlegend um. Besonders das Rechnungswesen, die Kommunaletats und Verkündigungspflichten der Maires erhielten unter ihm ein neues System. Er baute das Büro aus, besetzte Posten um, auf denen ältere preußische Verwaltungsbeamte saßen und drängte mit vielfachem Rückgriff auf die öffentlichen Blätter als Publikationsorgane auf die genaue Begrenzung von Verwaltungskompetenzen in Polizei, Justiz und ziviler Administration. Er räumte dem Patentsteuergesetz vom August 1808 kaum Auslegungsspielraum ein und versuchte, Gewerbe und ökonomische Effektivität durch den Schutz neuer Mühlen und Schenken zu fördern. Sein Wunsch nach Zweckmäßigkeit und vorbildhafter Verwaltung, der sogar in dem Versuch zum Ausdruck kam, Heiligenstadt zur Residenzstadt umzubauen, wurde ihm jedoch nach und nach zum Verhängnis. Als die öffentlichen Gelder ab 1812 schwanden und Bülow anfing, Etappenfonds für die Anlegung einer nicht genehmigten Departementsdruckerei zu veruntreuen stellte der Innenminister gegen ihn Ermittlungen an, die letztlich zu seiner Entlassung führten. Er reiste vorsorglich nach Essenrode ab, weil er fürchtete, im Departement verhaftetet zu werden.

Unterschrift des Präfekten Burchard von Bülow auf einer Entwurfsschrift an Dr. J. G. Boehmer, den Generalkommissar der hohen Polizei im Harzdepartement, 1809.

Heerde H.J., Das Publikum der Physik. Lichtenbergs Hörer, Göttingen 2006, S. 140.

Henning F. W., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands: Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert Bd. 2, Paderborn 1996, S. 156.

Mölich G./ Oepen J./ Wolfgang R., Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland, Essen 2002, S. 164.

Todorov N.-P., L’administration du royaume de Westphalie de 1807 à 1813. Le départment de l’Elbe, Saarbrücken, 2011, S. 166.

Vermischte Schriften, in: Ergänzungsblätter zur allgemeinen Literaturzeitung, Nr. 38 (Dezember 1817), Sp. 1104.

Von Meding W., Stadt ohne Land am Fluss. 800 Jahre europäische Kleinstadt Lauenburg, Frankfurt am Main 2007, S. 82.

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt B 35 II b Nr. 4 Die Ernennung des Kammerdirectors Borsche zum Präfekten.

Bildnachweis: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Wernigerode B 35, III a Nr. 60, Ein Konvolut Policey-Sachen (lose) (von Bülow an Boehmer, Entwurf, 14. Dezember 1809)
Foto: © Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt
CC BY-NC-SA 4.0 (die Schutzfrist des zugrundeliegenden Dokuments ist abgelaufen, aus der Reproduktion des Schreibens wurden weniger als 3% zur Illustration des Erläuterungstexts verwendet, ohne dass der eigentliche Inhalt des Dokuments deutlich wird)

Präfekten des Harzdepartements 2

August Heinrich Polykarp von Trott zu Solz auf Imshausen (1783 – 1840) 


Präfekt des Harzdepartements  

Präfekt des Werradepartements 

Winter 1805 nach dem Jurastudium in Göttingen Dienst in einem Geschäftskollegium zu Kassel; Anfang 1806 Assessor beim Reichskammergericht in Wetzlar; Oktober 1806 Rückzug auf Gut Imshausen, Verwaltungsdienst in Kassel durch französischen Einmarsch verhindert; Januar 1808 Unterpräfekt im Distrikt Eschwege; 02. Juni 1809 zweiter Präfekt des Harzdepartements; 29. August 1809 dritter Präfekt des Werradepartements; Oktober 1813 Rückzug von Marburg nach Koblenz/Flucht mit dem westphälischen König nach Paris; Mai 1814 aus den Diensten eines Präfekten entlassen; Juni 1814 Privatmann in Heidelberg und Mannheim; 1815 Rückkehr auf Gut Imshausen; September 1816 von der hessischen Regierung wegen ehemals unterschlagener Gelder verhaftet, Amtsverfahren des hessischen Kurfürsten wegen Eintritts in fremde Dienste wurde nach genereller Amnesie 1815 kassiert; Februar 1818 Legationsrat im Württembergischen Außenministerium; Mai 1818 Fallenlassen der Klage und des Urteils der kurhessischen Regierung wg. unterschlagener Gelder; 1819 Teilnahme an den Konferenzen zur Wiener Schlussakte; 1821 Staatsrat im Königreich Württemberg; Mai 1824 Württembergischer Gesandter am Bundestag in Frankfurt am Main; 1827 Kommentur des württembergischen Kronordens; 1834 Großkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone für die Vertretung bayerischer Gesandter in den Ausschüssen des Bundestags, Ernennung zum Kammerrat und Großkreuz des württembergischen Friedrichsordens; 22. November 1840 Tod durch mehrjähriges Rückenmarksleiden und Schlaganfall.

In seinen drei Monaten als Präfekt wirkte v. Trott bei der Reorganisation der geflohenen Halberstädter Garnision mit, deren Mitglieder durch einen Angriff des Herzogs von Braunschweig-Oels Ende Mai 1809 gefangen worden waren. Von Trott setzte diejenigen, die aus der Gefangenschaft in ihre Südharzer Heimatorte zurückgegangen waren wieder in Marsch und verfolgte diejenigen, die nicht zurückkehrten als Deserteure. Wesentlich beteiligt war er außerdem an der Überprüfung und Neuordnung (Revision) aller Mairesstellen seines Departements und am Ausbau des Präfekturbüros im Mainzer Schloss.

Unterschrift des Präfekten von Trott bei der Revision der Südharzer Mairesstellen im Juni 1809.

Kretzschmar J., August Heinrich Freiherr von Trott auf Solz zu Imshausen, in: ADB, Bd 38 (1894), S. 659 f.

O.A., Heinrich August von Trott zu Solz auf Imshausen, in:Schmidt F.A./Voigt B.F., Neuer Nekrolog der Deutschen, B. 18.2 (1840), S.1080 - 1093.

Bildnachweis: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Wernigerode B 35, II e Nr. 5, Die anderweite Ernennung der Maires und Adjuncten 1810, fol. 5 (Zirkularschreiben an die Kantonmaires und Unterpräfekten vom 19. Juni 1809)
Foto: © Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt
CC BY-NC-SA 4.0 (die Schutzfrist des zugrundeliegenden Dokuments ist abgelaufen, aus der Reproduktion des Schreibens wurden weniger als 3% zur Illustration des Erläuterungstexts verwendet, ohne dass der eigentliche Inhalt des Dokuments deutlich wird)

Freitag, 13. Mai 2016

Präfekten des Harzdepartements 1

Der Präfekt war nach der neuen westphälischen Verwaltungsordnung von 1807 der höchste Beamte der Zivilverwaltung für das Departement. Ihm unterstanden die drei Unterpräfekten, die jeweils einen Distrikt seines Departements verwalteten (hier Osterode, Nordhausen, Duderstadt) und die Kantonmaires seines eigenen Distrikts (hier Heiligenstadt). Im Gegensatz zu anderen Präfektenstellen des Königreichs herrschte auf dem Heiligenstädter Posten eine starke Fluktuation, wo es insgesamt zu vier Wechseln der Präfekten in fünf Jahren kam.

Samuel Gottfried Borsche (1767 - 1821)

Präfekt des Harzdepartements


19. November 1767 in Tangermünde geboren; Studium der Theologie, Philosophie und Kameralistik in Halle und Erlangen 1786 und 1793; Februar 1798 Assessor bei der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer; November 1798 Assessor bei der Kriegs- und Domänenkammer in Plock, Neu-Ostpreußen; Mai 1801 Tätigkeit im Berliner Generaldirektorium für das Neu-Ostpreußische Departement; Oktober 1801 Kriegs- und Domänenrat bei der Kurmärkischen Kammer; 03. 12. 1801 Ernennung zum jüngsten Kriegs- und Domänenrat in der kurmärkischen Kammer für J.C.G. Lemcke; Juni 1802 Marschkommissar der preußischen Truppen bei der Besitzergreifung der Thüringer Gebiete; Ende 1802 Kommissar in der Spezialorganisationskommission für die Stadt Erfurt; 09. 07. 1803 Kammerdirektor der Erfurt-Eichsfeldischen Kriegs- und Domänenkammer auf Empfehlung des Ministers von der Schulenburg-Kehnert; April 1807 kurzzeitig vom Intendanten der französischen Interimsregierung Erfurt inhaftiert (wegen rückständiger Kriegskontributionen); Januar 1808 erster Präfekt des Harzdepartements; 06. Mai 1809 plötzliche Aufgabe des Postens und Abreise nach Berlin (vorgeblich private Gründe); Juli 1809 Vizepräsident der Pommerschen Regierung in Stargrad; März 1810 Staatsrat der Sektion für die allgemeine Polizei im Königreich Preußen, Mitwirkung an einem neuen Munizipal-Polizeigesetz; Juni 1810 Kommissar für Steuerregulierung unter Staatskanzler Hardenberg; Oktober 1810 Direktor der Domänen und Forsten beim Preußischen Finanzministerium; Anfang 1814 Vorsitz des Kuratoriums für das Einquartierungswesen; März 1820 Staatsrat für Finanzen und Inneres in der Sektion Handelsangelegenheiten, Verleihung des Roten-Adler-Ordens, 1821 nach einer Jagd erkrankt und gestorben.

Samuel Gottfried Borsche war im Südharz nahtlos von der ehemals preußischen Zivilverwaltung als Kammerdirektor zum Präfektenamt übergegangen. Seine Beziehungen zu preußischen Reformern, Beamten und Politikern außerhalb Westphalens blieben als Präfekt jedoch gut. So stand er weiterhin in gelegentlichem Kontakt mit Ludwig von Vincke und Friedrich von Bassewitz. Der Freiherr von Stein hatte ihm nach eigenen Angaben bei einem Treffen im Jahr 1804 schon sehr imponiert. Unter allen Präfekten der "ersten Generation" war Borsche der einzige, der im Mai 1809 seinen Posten aufgab, als die Schillschen Husaren versuchten, Menschen für die diffuse Idee eines militärischen Gegenschlags zu werben, den Preußens zusammen mit anderen dezimierten oder aufgelösten Landesherrschaften gegen Frankreich führen sollte.

Borsches Verwaltungsstil als Präfekt blieb den Geschäftsvorgängen und Gewohnheiten der ehemaligen Kriegs- und Domänenkammer verpflichtet, wofür ihn seine Nachfolger teils scharf kritisierten, v.a. für die unzulässige Durchsetzung des Büroprinzips und die Nachlässigkeit bei der Umsetzung von gesetzlicher Gleichstellung und dem Kommunalrechnungswesen.


Borsches Wirkungsort in Heiligenstadt: das Mainzer Schloss

Kohl W., Französisch-Westphälische Einflüsse auf die preußische Reformgesetzgebung über Samuel Gottfried Borsche einen Freund Ludwigs Freiherrn Vincke. in: Geschichte und Geschichtsbewusstsein. Festschrift für Karl-Ernst Jeismann, hg.v. Leidingerm P/ Metzler D., Münster 1990, S. 380−392.

Lüdicke R., Samuel Gottfried Borsche. Lebensbild eines preußischen Beamten. in: Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der landesgeschichtlichen Forschungsstelle für die Provinz Sachsen und Anhalt. Band 12 (1936), S. 214 – 252.

Lüdicke R., Über die Preußische Verwaltung in Neu-Ostpreußen: (Briefe des Kammer-Assessors S.G. Borsche aus Plock 1799-1801), in: Altpreußische Forschungen, Bd. 17 (1940), S. 200-222.

Straubel R., Biographisches Handbuch Der Preußischen Verwaltungs- Und Justizbeamten 1740- 1806/15, (= Einzelveröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin, Bd. 85., Einzelveröffentlichungen des Brandenburgischen landeshauptarchivs, Bd. 7), München 2009, S. 118 f.

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt B 35 II b Nr. 4 Die Ernennung des Kammerdirectors Borsche zum Präfekten.


Bildnachweis:  Mainzer Schloss Heiligenstadt.JPG.
Foto: Michael Sander,
CC BY-SA 3.0

Samstag, 23. April 2016

Ruhe, zu der Buerger eigenem Wohl...

LHA SA Wernigerode B 35 I 21, Beunruhigung durch feindliche Truppen im Departement Nr. 34.


Proklamation des Generals von Hammerstein

Indem die Russen bereits ihrem angeblichen Beruf uns Westphalen … die ihnen doch nichts angehen … zu befreyen aufgegeben, und nur hier gewesen, um einige Beduerfnisse zu requiriren. So ist es Zeit, daß jeder, der um Angst oder Zwang seine Plicht vergaß, schell zu derselben zurückkehre. Die Gesetze sind bekannt, diese ruhig zu befolgen ist des Bürgers Pflicht, der unter jeden Umständen seinen Geschaeften fleißig nachgehen und in Politik sich nicht mischen soll. Nur diese Aufführung ist jeder Parthey heilig, nur so traegt einer nicht mehr Last wie der andere, von dem Augenblick an, wo Bürger unruhig werden, sind sie das Spiel und Opfer derselben

Unser König verlangt strenge diese Ruhe, zu der Buerger eigenem Wohl, er will und bedarf keines Aufgeboths und Landsturms, wie unsere Feinde, denen das Wohl des Einzelnen gleichgueltig ist, und die wohl ein verheertes, aber kein befreytes Land sehen moegen. Um diese Ruhe zu erhalten, und alle Unordnung zu entfernen, sind Sr. Majestät Trupen hier eingerueckt, und ich erinnere jeden an seine Pflicht.

                                   Der Divisions=General

                                     Graf von Hammerstein


Hauptquartier d. Westphäl. Armee
in Nordhausen, den 25 sten April 1813

Zeichnung eines Offiziers des 1. Westfälischen
Kürassierregiments, das Hammerstein bis Juni 1813
als Interventionsruppe im Innern sammelte


zur Quelle:


Graf Hans Georg von Hammerstein Equord, König Jerômes erster Flügeladjutant, setzte diese Proklamation nach dem Einzug der westphälischen Resttruppen in Nordhausen zu 2000 Exemplaren in Umlauf. Kurz vor den Osterfeiertagen 1813 sollte ein kleines Streifkorps der alliierten Truppen einen ersten Vorstoß auf Kassel über Heiligenstadt unternehmen, um die französische Regierung des Königreichs Westphalen in Bedrängnis zu bringen. Die Truppen brachen diese Unternehmung aber wegen dringender Kämpfe an der Elbe am 20. April ab. Die westphälische Armee unter dem Divisionsgeneral von Hammerstein traf fünf Tage zu spät in Nordhausen ein. Der Vorstoß war nicht nur für die westphälische Armee ein Desaster, weil bis auf zwei ziellos umherirrende Reiterschwadrone das ganze Departement wehrlos da lag, die Hohnsteiner Dörfer ihre Etappenkassen verloren und die russischen Truppen in Herzberg Waffen erbeuteten. Auch Einwohner hatten unter den Folgen dieses Vorstoßes zu leiden, denn auf Grundlage alter Fahndungslisten der hohen Polizei durchkämmte nun die Armee das Gebiet nach sogenannten „Preußenfreunden“. Tatsächlich war beim Einmarsch der Alliierten am Nordhäuser Kornmarkt eine große Masse an Bürgern zusammengelaufen, die besonders gegen die Gendarmerie öffentlich auftrat.[1] Die Pastoren Plieth (Salza), Böttcher (Pützlingen) und Panse (Hesserode), sowie der Förster Kleemann (Salza) und der Oberamtmann Taute (Wollersleben) wurden teils aus Verrat verhaftet und nach Kassel deportiert. Sie sollten dort vor das Königliche Militärgericht gestellt werden.[2] Solche und ähnliche Verhaftungen waren der Grund, aus dem die Armee einige Tage in Nordhausen blieb, um, gemäß Hammerstein, „alle Unordnung zu entfernen“.

Auffällig an der Proklamation ist Hammersteins unpolitisches Bild vom westphälischen Bürger. So stellt er nicht nur die Sympathiebekundung gegenüber den fremden Truppen als Pflichtvergessenheit dar sondern auch das aktive Eintreten gegen diese Truppen. Ein Landsturm, für den ein preußisches Streifkorps im Departement zeitgleich geworben hatte lag außerhalb jeder offiziellen Vorstellung von Bürgerbeteiligung. Hammerstein wollte nicht auf das politische Verhalten der Nordhäuser einwirken, er wollte es abstellen. Das propagierte Bild vom geschäftigen Bürger war der Versuch, die öffentliche Meinung, die opinion, mit einer Orientierungshilfe für kollektives Handeln zu beeinflussen. Denn einen Adressaten hatte diese Proklamation nicht. Diejenigen Bürger, die auffällig geworden waren, wurden nun strafrechtlich verfolgt, alle anderen taten weiter ihre „Pflicht“.

Zusammen mit der Ungnade, die König Jerôme den Nordhäusern über den Vorfall aussprach, war diese Proklamation also keineswegs zur Herstellung von Ruhe und Ordnung gedacht, sondern zur Mahnung und Strafandrohung. Sie zeigt der Bevölkerung, dass sie zu diesem Zeitpunkt in den militärischen Plänen der Regierung offenbar keine Rolle mehr spielte. Vor dem Hintergrund der Konskription und der fragwürdigen Sicherheitslage nach dem Russlandfeldzug war das ein irritierendes Signal, zumal sich die Armee beim Anrücken der Russen noch auf eigezogene Erkundigungen der Zivilverwaltung verlassen hatte.


Bildnachweis:  Hoher Offizier der 1. westfälischen Kürassiere, 1812.
Uniformtafel n. Richard Knötel (1857-1914),
Public Domain, Abb. älter als 70 Jahre nach dem Tod des Autors


  1. [1] Iffland S., Georg Friedrich Heinrich Plieth 1999, S. 46f.
  2. [2]Förstemann E.G., Friedrich Christian. Lessers Historische Nachrichten von der ehemals kaiserlichen und des heil. röm. Reichs freien Stadt Nordhausen, gedruckt daselbst im Jahre 1740, umgearbeitet und fortgesetzt von Professor Dr. Ernst Günther Förstemann, Nordhausen 1860, S. 390.


Weiterführende Literatur

  • Kleinschmidt Arthur, Geschichte des Königreichs Westfalen, Gotha 1893, S. 576–585.
  • Iffland Steffen, Georg Friedrich Heinrich Plieth, in: Der Heimatbote (1999), Nr. 2, S. 34–57.
  • Schröder Paul, Hin zum Volk - heim ins Vaterland!, Nordhausen 1938.
  • Krönig Friedrich, Chronik des Dorfes Niedergebra, Bleicherode 1902.
  • Hoffmann Birgit, Aufrührer, Ruhestörer oder gute Patrioten? Die gerichtliche Verfolgung von Selbstjustiz und Exzessen bei der Auflösung des Königreichs Westphalen im Gebiet des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel, in: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 79 (1998), S. 85–124.
  • Severin-Barboutie Bettina, Vom freiwilligen Söldner zum dienstpflichtigen Untertan – Militärische Massenmobilisierung im Königreich Westfalen, in: König Lustik!? Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen, hg. v. Eissenhauer Michael, München 2008, S. 120–126.
  • Töppel Roman, „Es ist ein trauriges Leben, alle drei oder vier Jahre um seine Existenz bangen zu müssen.“ Die Stimmung in Sachsen während der Befreiungskriege 1813–1815, in: Helden nach Maß: 200 Jahre Völkerschlacht bei Leipzig; Katalog zur Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, 4. September 2013 - 5. Januar 2014, hg. v. Rodekamp Volker, Leipzig 2013, S. 27 – 37.